Buddhas Lehren
Vor mehr als 2500 Jahren lehrte der historische Buddha Shakyamuni Wege zur Überwindung von Leiden und zum Erlangen von dauerhaftem
Glück. Er zeigte, wie der Geist von Illusionen und Täuschungen befreit werden und wie das jedem Lebewesen innewohnende Potenzial
für allumfassende Liebe, Mitgefühl und Weisheit entfaltet werden kann. Da seine Schüler sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen, Interessen und
Fähigkeiten hatten, gab Buddha viele verschiedene Mittel zur geistigen Entwicklung. Sie lassen sich in drei „Fahrzeugen“ zusammenfassen,
deren Lehren aufeinander aufbauen:
Das „kleine Fahrzeug“
(Hinayana)
vermittelt Methoden zur individuellen Befreiung:
Kontemplationen über die Unbeständigkeit allen Seins, das Gesetz von Karma (Ursache und Wirkung), die Leiden im Kreislauf der
karmisch bedingten Wiedergeburten (Samsara) und andere Themen. Durch die Meditation der Geistesruhe und analytische Meditationen
kann das Haften an der Illusion eines dauerhaften, aus sich selbst heraus bestehenden Ich aufgegeben werden. Damit wird Befreiung aus dem
Daseinskreislauf erlangt.
Im Mahayana,dem „großen Fahrzeug“, wird Erleuchtung zum
Wohle aller Lebewesenangestrebt. Dazu werden auf dem„Weg der Ursachen“(Sutrayana) die Grundlagen entwickelt, die zur Erleuchtung führen:
Mitgefühl und ein Verständnis der Leerheit aller Erscheinungen. In Einsichtsmeditationen werden intellektuell die Bestandteile innerer und äu
-ßerer Situationen analysiert, um ihre wechselseitige Bedingtheit und Traumhaftigkeit zu erkennen. In anderen Meditationen (z.B. Tong-len, der
Meditation des Gebens und Nehmens) wird geübt, Mitgefühl für sich selbst und andere zu entwickeln und dabei schwierige Situationen zum
Weg zu machen. Der Pfad eines Bodhisattvas beginnt mit dem Entwickeln des Erleuchtungsgeistes: dem Wunsch, Erleuchtung zu erlangen zum
Wohle aller Lebewesen (relatives Bodhicitta, gespr. Bodhitschitta). Umgesetzt wird dieser Wunsch durch die Verwirklichung der sechs Paramitas
(Freigiebigkeit, ethisches Verhalten, Geduld, freudige Anstrengungen, meditative Sammlung und Weisheit), wodurch schließlich die wahre Natur
aller Erscheinungen erkannt werden kann (absolutes Bodhicitta).
Vajrayana
(gespr. Vadschrayana), der„Weg der Frucht“, ist eine Form des Mahayana-Buddhismus. Auf diesem Pfad wird unmittelbar auf die
Frucht des Weges meditiert: Erleuchtete Qualitäten wie Mitgefühl, Weisheit, Freude u. a. werden in Form von „Meditationsgottheiten“
vergegenwärtigt (z.B. Tschenresig oder Tara). Bei der Praxis der „sechsYogas“ des Naropa bzw. der Niguma
(indische Meister des 11. Jahrhunderts) kann die Essenz der unterschiedlichen Bewusstseinsformen, die
wir im Wachzustand, beim Träumen, im Tiefschlaf usw. erleben, realisiert werden. Auf der Basis dieser Schulungen wird Mahamudra gelehrt, die
höchste Form der Meditation, die es ermöglicht, „die Natur des Geistes“ zu erkennen so, wie sie ist – als Einheit von Leerheit und Klarheit. Die
Mahamudra-Lehren sind das Kernstück der Karma Kagyü-Tradition.
Verbreitung des Buddhismus
Vom Ursprungsland Indien ausgehend haben sich die unterschiedlichen Lehren Buddhas in vielen Ländern verbreitet und dort verschiedene äu
-
ßere Formen angenommen, entsprechend der jeweiligen kulturellen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Menschen. So finden wir den
Theravada-Buddhismus in Burma, Thailand, Sri Lanka – eine Weiterentwicklung der Hinayana-Lehren. Der Zen-Buddhismus in Japan, China,
Korea und Vietnam basiert auf den Sutrayana-Lehren, v. a. dem Prajnaparamita-Sutra (über die Leerheit). Die Vajrayana-Lehren wurden in ihrer
Gesamtheit nur in Tibet übertragen und bewahrt. Man unterscheidet vier große tibetische Schulen – Nyingma, Kagyü, Sakya und Gelugpa.
Sie unterscheiden sich in ihrem Ansatz, z.B. dem Verhältnis, das Studium und Praxis zueinander einnehmen, doch sie vermitteln die gleiche
Essenz.
Die Karma Kagyü-Tradition
ist eine der „Kagyü“-Schulen, bei denen die Lehren mündlich vom Lehrer an seine Schüler weiter gegeben wurden („Ka“ ist das
Wort, „Gyü“ die Übertragung). Sie geht auf den großen Übersetzer Marpa zurück, der im 11. Jahrhundert n. Chr. die Lehren selbst
aus Indien nach Tibet brachte. Über den Yogi Milarepa, den Meister Gampopa, die Karmapas und deren Linienhalter wurden
sie bis auf den heutigen Tag vollständig und unverfälscht übertragen.
Oberhaupt dieser Schule ist Seine Heiligkeit Karmapa, der im 12. Jahrhundert n. Chr. das Tulku-System in Tibet einführte: Die bewusste
Reinkarnation in einer ununterbrochenen Linie von Manifestationen.Sie ermöglicht es einem Meister, seine Bodhisattva-Aktivität über viele
Leben hinweg fortzusetzen und seine Schüler weiter anzuleiten. Karmapa gilt als Ausstrahlung des Bodhisattvas Tschenresig, in dem sich erleuch
-tete Liebe und Mitgefühl manifestieren.
In seiner inzwischen 17. Inkarnation als Ogyen Trinley Dordsche ist Karmapa der Schirmherr der Karma Kagyü Gemeinschaft Deutschland. In
diesem gemeinnützigen Verein sind die Meditationszentren organisiert, die sich auf Karmapa als höchsten Lehrer beziehen: Die beiden über
regionalen Zentren Kamalashila Institut® im Eifelkloster Langenfeld (ein Studienzentrum bei Mayen) und das Klausurzentrum Halscheid, östlich
von Köln, in dem traditionelle Drei-Jahres-Klausuren durchgeführt werden. Neben unserem Zentrum in Heidelberg sind sechs weitere Stadt
-zentren angeschlossen: Hamburg, Bremen, Münster u. a., ebenso zwei Vereine: Karma Tengyal Ling Brandenburg und Bodhicharya
Deutschland e.V., Berlin. Auf Wunsch von Gyalwang Karmapa hat Ringu Tulku Rinpotsche die spirituelle Leitung der Stadtzentren der KKG
übernommen und ist somit auch unser spiritueller Meister. Mittlerweile gibt es zusätzlich Stadtgruppen in Köln, Koblenz, Mainz, Frankfurt und
Karlsruhe, die von den Lamas des Kamalashila Institutes betreut werden (s. die Liste auf der letzten und vorletzten Seite unseres Programmheftes.)
Die Geschichte unseres Zentrums begann im Frühjahr 1982, als sich eine kleine Meditationsgruppe um unseren jetzigen Lama Manfred bildete.
Tenga Rinpotsche gab ihr im September den Namen „Karma Chang Chub Chö Phel Ling“ (gesprochen Karma Dschang Tschub Tschö Pel Ling)
– „der Garten, in dem die Erleuchtungslehre wächst“. 1985 wurde uns von Alfred Ritter dafür ein Haus geschenkt, das wir seit dieser Zeit für
regelmäßige Meditationsangebote unter der Woche und für Wochenendkurse nutzen. Geleitet wird das Zentrum von Lama Dorothea, die
maßgeblich an seinem Aufbau beteiligt war und seit dem Abschluss ihrer Drei-Jahres-Klausur 1995 wieder im Hause lebt.
Wir möchten in unserem Zentrum allen Interessierten die Gelegenheit geben, die buddhistische Lehre und Meditationsmethoden, wie sie in der
Karma Kagyü Schule übertragen werden, kennenzulernen und zu praktizieren. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Methoden der Shangpa
Kagyü Schule, die im 11. Jahrhundert n. Chr. von dem tibetischen Meister Khyungpo Naldschor begründet wurde und deren Lehren von
Meistern wie Jamgön Kongtrul Rinpotsche, Kalu Rinpotsche und Bokar Rinpotsche in unserer Zeit gelehrt werden. Darüber hinaus bieten wir
Kurse zu grundlegenden Themen und Meditationen des Hinayana- und Mahayanabuddhismus an und freuen uns, dass sich auch andere bud
dhistische Gruppen in unseren Räumen zum Üben ihrer jeweiligen Unterweisungen treffen (eine Soto-Zen-Gruppe z.B., Schüler des
vietnamesischen Zen-Meisters Thich Nhat Hanh, Schüler von Rigdzin Shikpo, Vipassana-Praktizierende und andere.