Rede anlaesslich der Flucht Karmapas
Rede S.H. des Dalai Lama
anlässlich der Flucht Karmapas


7. März, TIPA, Dharamsala, Indien


Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, dankte dem TIPA
(Tibetan Institute of Performing Arts; Tibetisches Institut für darstellende Künste)
für all die wunderbaren Tanzaufführungen, die im Laufe so vieler Jahre stattfanden.
Er sprach in diesem Zusammenhang auch von Milarepa und betonte, dass durch die Kunst
einige Abschnitte aus dessen Leben mit neuem Leben erfüllt wurden.
Am Ende seiner Ansprache an die TIPA wandte er sich an alle versammelten Menschen,
und sprach über Seine Heiligkeit, Gyalwa Karmapa.
"Gerade ist die Lebensgeschichte von Milarepa, dem 'lachenden Vajra, dem Herrn der Yogis',
aufgeführt worden. Milarepa hatte zwei Herzensschüler: den Heiligen Regenten,
den unvergleichliche Arzt von Dagpo (Gampopa) und Lama Rechungpa. Schüler des unvergleichlichen Arztes von Dagpo war der erste Karmapa.
Sein Name war Dusum Khyenpa ('der, der das Wissen der drei Zeiten besitzt').
Die Linie der Karmapas reicht bis zur siebzehnten Reinkarnation,
die sich heute unter uns befindet. Wir haben nicht für möglich gehalten,
dass er zu uns kommen könnte und sind alle sehr überrascht. Schon früh hat Karmapa
eine ungewöhnliche Reife und die Manifestation unterschiedlicher latenter Qualitäten
gezeigt, die er aus seinen früheren Leben mitbringt. Trotz offensichtlicher Gefahren,
ist er wohlbehalten hier angekommen.
Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass Karmapa Rinpoche aus Tibet fliehen wollte,
habe ich mir große Sorgen gemacht - ich fragte mich, wie er all die Hindernisse
überwinden sollte, die einer Flucht im Wege standen! Später dann, als ich gerade aus
Bodh Gaya nach Dharamsala zurückgekehrt war, hörte ich, dass ihm die Flucht gelungen war
und er Indien erreicht hatte. Als wir uns zum ersten Mal trafen, war ich sehr beeindruckt.
Zunächst haben wir über die Beweggründe seiner Flucht gesprochen.
Er ist in der Hoffnung und mit dem Wunsch hierher gekommen, der Sache des tibetischen Buddhismus und dem tibetischen Volk dienen zu können. Solange er in Tibet war, konnte er das nicht verwirklichen. Deshalb sei er ins Exil gegangen, hat er mir erklärt. Darüber war ich sehr glücklich.
Und ich sagte ihm, dass seine Entscheidung sehr gut war.
Da Karmapa noch sehr jung ist, haben wir auch darüber gesprochen, welche Aufgaben
für ihn jetzt an erster Stelle stehen. das Studium der Schriften, das Empfangen von Initiationen,
mündlichen Ãœbertragungen, Unterricht bei Lehrmeistern, intensive Meditationsrückzüge,
Rezitationen und andere Praktiken - das sind die Dinge, denen er sich in den nächsten zehn Jahren an erster Stelle widmen sollte. Es ist sehr wichtig, dass er seine verborgenen Fähigkeiten und Gaben, die aus seinen früheren Inkarnationen stammen, verwirklicht und sie in dieses Lebenskontinuuum integriert. Also wird ihm zugute kommen: Belehrungen zu hören, darüber nachzudenken, zu studieren und zu meditieren.
Das habe ich ihm geraten, und er hat zugestimmt.Wir beide verfolgen dasselbe Ziel.
Nun, da viele von uns hier versammelt sind, dachte ich, daß es eine großartige Gelegenheit ist,
Karmapa vorzustellen, so daß Sie ihm begegnen und wir einander gegenseitig besser kennenlernen können.
Und so möchte ich Sie ermutigen, dafür zu beten, daß sich die Pläne und Wünsche
von Karmapa Rinpoche mühelos erfüllen mögen, ohne jegliche Hindernisse und Schwierigkeiten.
7. März 2000, im TIPA
Dharamsala, Indien